Islands of Japan 27.09.2025 - Day 9: Towadako to Akita (303 km)
Heute wurden wir vom Regen verschont und fuhren bei recht schönem Wetter durch abgelegene Täler, aber auch durch einige Dörfer, welche einen ziemlich verlassenen Eindruck hinterlassen haben. Die 4 Regularities gelangen uns nicht ganz nach Wunsch, aber dennoch ordentlich (total 7 Sekunden aus 4 Timing-Punkten). Wir haben jetzt 24 Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten, allerdings war der gestern noch auf dem 3. Platz und hat gegenüber uns etwas aufgeholt. Dem gestrigen Zweitplatzierten ist es heute leider nicht so gut gelaufen, daher hat er einen Platz verloren.
Unser neuer direkter Verfolger fährt exakt das gleiche Fahrzeug in der gleichen Farbe wie wir, sozusagen 'Luigis' Zwillingsbruder. Allerdings ist dieser deutlich mehr aufgemotzt, sowohl vom Motor als auch vom Fahrwerk her. Zudem fährt der Fahrer ausgezeichnet und hat in der Kategorie der Vorkriegsfahrzeuge auf dem Teer alle Rundkurse der letzen Tage gewonnen (auf Gravel nicht ). Auch auf den Regularities werden die beiden Herren - deren Team-Konstellation etwas zu Mutmassungen geführt hat - zunehmend besser, heute haben sie uns 4 Sekunden abgenommen. Wir werden uns warm anziehen müssen, wenn wir unsere Positionen halten wollen, aber das ist ja auch die Herausforderung und der Spass an einer solchen Rallye!
'Luigi' bekommt auf langsamen Bergpassagen immer noch recht heiss, wenn auch seit dem gestrigen Auffüllen von Wasser weniger stark. Bei der Kaffepause auf einem Hügel habe ich herausgefunden, dass der Elektrolüfter nicht mehr funktioniert. Die Sicherung des Einschaltrelais, welches durch einen separaten Thermostaten gesteuert wird, war durchgebrannt. Ein Ersatz derselben - selbst einer doppelt so starken - nützte nichts. Der Lüfter startete kurz und dann war die Sicherung wieder durchgebrannt. So wie es aussieht, hat der Lüftermotor infolge der starken Niederschäge der letzten Tage Wasser erwischt und das tut bekanntlich keinem Elektromotor gut. Ich werde ihn also am nächsten Ruhetag in 4 Tagen ausbauen und schauen, ob ich ihn trocknen und wieder in Gang bringen kann.
Heute ist freies Nachtessen angesagt: Irene und ich werden noch schauen, wohin es uns verschlägt. Vielleicht bleiben wir auch einfach im Hotel und geniessen für uns einen ruhigen Abend. Schaden täte es unserer Linie sicher nicht ...
Morgen sind nebst 2 Regularities auch 2 Rundkurse angesagt und wir werden erstmals nebst den Helmen auch lange Kleider, feste Schuhe und Handschuhe anziehen müssen. Bis jetzt waren nur Helme obligatorisch, aber wir haben uns ja auf das volle Programm vorbereitet .
Heute haben wir knapp 1/3 Drittel unserer Rallye hinter uns, sowohl von den Tagen (9) als auch von der Distanz her (2'500 km). Also Zeit, eine kleine Bilanz zu ziehen:
- Japan fasziniert uns grundsätzlich, ist aber auch etwas gewöhnungsbedürftig. Dort, wo wir herumkurven - also primär in ländlichen Gegenden - sieht man ausserhalb der Hotels fast keine jungen Japaner. Alle Einheimischen auf dem Lande sehen gefühlt so alt aus wie ich und ihre permanente Dienstwilligkeit und Verfügbarkeit (inklusive aller Bücklinge) ist manchmal fast des Guten zuviel. Sie leben in sehr fixierten Strukturen und sehen ihr Dasein als Pflichterfüllung gegenüber ihrem Vaterland. Das hat natürlich durchaus nachvollziehbare Ursprünge bis zurück zu den Weltkriegen, aber ein zufriedenes Leben sieht aus meiner Sicht anders aus. Ich habe noch keinen älteren Japaner lachen sehen.
- In den Städten hat es dafür sehr viele junge Leute und die scheinen ein viel offeneres Leben zu führen. Sie lachen, sind laut, tragen Kopfhörer, schauen auf die Handys, Paare halten sich an den Händen, sind höflich aber nicht übetrieben. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Japan einen ausgeprägten Generationenkonflikt gibt.
- Alles ist total durchorganisiert und schon kleinste Abweichungen bringen den Einen oder die Andere total aus dem Konzept.
Beispiel 1 von gestern Abend beim (einmal mehr ausgezeichneten) Essen: Getränke mussten bei einem dafür auserwählten Kellner bestellt werden. Dieser verteilte für jede Person einen Bestellzettel. Dort durfte man aus einer gegebenen Auswahl etwas wählen. Man konnte wählen zwischen: Einer Flasche Bier, einem Glas Rotwein (Marke unbekannt), einem Glas Weisswein (Marke unbekannt), einem Glas Sake, einem Ginger-Ale und einem Coca-Cola. Pro Zettel dufte aber nur bei einem (1) Getränk ein Strichli gemacht werden und auch Ehepaare mussten getrennt bestellen, je die Zimmernummer draufschreiben und je eigenhändig unterschreiben! Dann wurden die Zettel eingesammelt und auf einem separaten Tisch in der Reihenfolge der Einsammlung ausgelegt. Ein weiterer Kellner arbeitete dann diese Bestellungen ab und je nach Art des gewählten Produktes bekamen andere Kellner die Aufgabe, das bestellte Produkt zu organisieren. Das klappte ganz ordentlich, bis sich ein Rallye-Teilnehmer erdreistete, ein Glas Rotwein und ein Glas Weisswein auf dem gleichen Zettel zu bestellen. Das brachte die offensichtlich sorgsam einstudierten Abläufe ziemlich durcheinander und erst der hinzugezogene Chefkellner konnte das Problem lösen, indem er den 'falsch' ausgefüllten Bestellzettel auf zwei einzelne Bestellzettel umschrieb! Wohlgemerkt: Die Bestellzettel waren so gestaltet, dass man mehrere Getränke miteinander bestellen konnte.
Beispiel 2 von heute: Für unsere Fahrzeuge ist bei den Hotels jeweils ein eigener, abgesperrter und meist bewachter Parkbereich reserviert. Heute mussten auch wir in jedes Fahrzeug einen Zettel mit der Parkbewilligung legen, einfach weil das immer schon so gemacht wurde.
- Auf Grund der vielen Regeln und Vorschriften scheint das selbständige Denken und die Übernahme von Verantwortung etwas in den Hintergrund verdrängt worden zu sein, wohl vor allem bei der älteren Generation. Man macht einfach das, was einem aufgetragen wurde und man immer schon so gemacht hat, unabhängig davon, ob es heute noch Sinn macht oder nicht. Es ist aber gut möglich, resp. ich bin sicher, dass ich einfach noch viel zu wenig über diese Kultur weiss und mit meinem eher offenen Denken viele Dinge nicht nachvollziehen kann. Trotzdem freut es mich zu sehen und auch zu lesen, wie Japan's Jugend daran ist, viele Fronten aufzubrechen und neue Wege zu suchen.
- Nachdenklich machen mich auch die vielen heruntergekommenen und auf den 1. Blick menschenleeren Dörfer. Viele Häuer sind dem Zerfall überlassen und nur selten sieht man einen Neubau. Dann und wann sieht man etwas Kleingewerbe oder eine Schnell-Imbissbude. Es ist zwar alles sehr sauber, aber wenig gepflegt. Unkraut schiesst an allen Ecken und Enden aus dem Boden und auch die Bäume und Sträucher werden kaum geschnitten. Immer wieder schlagen während der Fahrt Zweige von links und von oben auf die Fahrzeuge. Das Wetter kann auch sehr garstig sein: Auf der Nordinsel sind Schneestürme und Temperaturen bis -40° Celsius keine Seltenheit.
- Japan hat nur eine einzige Zeitzone. Auf der Nordinsel startet der Tag nach 05:00 Uhr und die Dämmerung startet abends bereits gegen 17:30 Uhr. Innert 20 Minuten ist es am Morgen taghell und ebenso schnell bricht am Abend die Dunkelheit herein. Auf der Südinsel wird sich dann alles um ungefähr eine Stunde nach hinten verschoben haben.
Fortsetzung folgt in den nächsten Tagesberichten, sonst komme ich gar nicht mehr zum Essen .
Hanns Proenen 27.09.2025 12:01
Lieber Manuel,
neben den Rallye-spezifischen Informationen, begeistern mich immer wieder die Schilderungen der Kuriositäten am Rande. Du vermagst dass so humorvoll zu beschreiben, dass ich teilweise Lachanfälle bekomme.
Nach der gestern zu Ende gegangenen Sierra Nevada Classic sitzen wir jetzt am Pool und lesen Deine Berichte ab jetzt wieder täglich.
Das mit dem Lüfter wundert mich -
die SPALs sind doch eigentlich wasserdicht. Vielleicht doch ein Masseschluss durch ein angescheuertes Kabel ? Ich hatte mal einen Masseschluss innerhalb des Relais (China Murks) . Du wirst das Problem sicher finden/lösen - im Improvisieren bist Du ja ein wahrer Meister