The 12th Flying Scotsman Tag 1 - 01.04.2022: Hexham to St. Andrews

Bevor ich auf das Rallye-Geschehen des heutigen Tages eingehe, möchte ich doch noch ein paar Worte zu meiner gestrigen Unterkunft verlieren.

In Harwick (Schottland) habe ich in einem mittelalterlich anmutenden Schlösschen meine Bleibe für eine Nacht gefunden. In unseren Gefielden würde eine solche Unterkunft am ehesten in die Kategorie 'Romantik Hotel' fallen. Tatsächlich war sehr viel Romantik vorhanden, aber auch - nach meinem Geschmack - sehr viel Kitsch. Fairerweise muss ich aber festhalten, dass der Kitsch teilweise recht gut zusammenpasste und ich generell zu wenig davon verstehe. Die Gänge hingen voll mit Bildern irgendwelcher Persönlichkeiten, welche aber alle so grimmig dreinschauten, als wären sie kurz zuvor vom häuslichen Kitsch erschlagen worden. Alle Böden waren mit mehr oder weniger hochflorigem, aber sehr sauberen Teppich belegt, so dass beim Laufen keinerlei Geräusche entstanden. Dafür waren die Zimmerwände so dünn, dass man die Flöhe husten hören konnte ohne zu wissen, ob das Husten aus dem direkt angenzenden Zimmer oder eher vom übernächsten Zimmer kam.

Mein Zimmer lag im Untergeschoss, wobei auch hier alle Böden mit Teppich belegt und alle Wände mit Stoff bespannt waren. Wo der Stoff nicht mehr gereicht hatte, wurde eine dicke, grobporige, gummiänhliche Tapete verwendet. Die Möbel schienen alle antik zu sein und passten zueinander wie Fäuste auf die Augen. Mein Badezimmer war fast so gross wie mein Hauptzimmer und erst noch deutlich wärmer. Das lag am geheizten Handtuchradiator, den man ohne feuerfeste Handschuhe nicht berühren konnte. Vor dem Essen habe ich den Heizkörper im Hauptzimmer angedreht, da die nur vertikal verschiebbaren Fensterflügel auch in geschlossenem Zustand ziemlich viel kalte Luft reinliessen. Das theoretisch regelbare Heizventil hatte schon bessere Zeiten gesehen, jedenfalls drehte sich daran so ziemlich alles, was irgendwie drehen konnte und ein dosiertes Öffnen des Ventils war innert nützlicher Zeit nicht möglich.

Das Abendessen war gut und reichlich und auch die Bedienung - eine um die Mittellage recht rund gebaute Schottin mit roten Haaren und herbem Gesichtsausdruck - war ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Sie bemerkte offensichtlich, dass ich Ausländer war und begann, die in bestem Englisch gehaltene Speisekarte mit ihrem schottischem Akzent zu erklären, was leider zu meiner Entscheidungsfindung gar nichts beitrug, weil ich schlicht so gut wie nichts verstand. Trotzdem kam das bestellte Essen korrekt auf den Tisch und selbst die abschliessende Käseplatte - zusammen mit einem Gläschen Port - liess keine Wünsche offen.

Zurück im Zimmer traf mich als erstes der Hitzeschlag. Inzwischen war auch der grosse Radiator im Hauptzimmer mindestens so heiss wie der Handtuchradiator im Badezimmer und bis zu einer angenehmen Saunatemperatur war es nicht mehr weit. Mit Hilfe meines Schweizer Taschenmessers (@Urs: bang&clean) habe ich das Heizkörperventil demontiert, auseinandergenommen und (hoffentlich) richtig zusammengebaut. Tatsächlich hat die Zimmertemperatur innert nützlicher Frist wieder ein langfristig überlebbares Niveau angenommen und ich habe grosse Hoffnung, in der Nacht weder zu erfrieren, noch an einem Hitzestau von dannen zu gehen. Sollte dieser Blog hier zu Ende sein, so hat mich meine Hoffnung getäuscht wink.

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Als erstens stand heute morgen im Rahmen der Rallye eine Parkplatzorganisation an. Es galt am 'Znüniort' bei der Boncester Bridge, 110 Fahrzeuge, welche laufend kamen und ca. 25 Minuten später wieder gingen, auf einer Fläche für ca. 40 Fahrzeuge so zu platzieren, dass sie a) Platz hatten und b) einander bei der späteren Wegfahrt nicht blockierten. Das gelang ganz gut, auch wenn ich dazu noch das Nachbargrundstück - natürlich mit Erlaubnis des Besitzers - in Beschlag nehmen musste. Hilfreich war auch, dass sich diverse Teilnehmende schon prächtig verfahren haben und erst zur Zeitkontrolle erschienen, als der grösste Teil der korrekt fahrenden Teilnehmenden bereits wieder abgefahren war. Zurück blieben lediglich 2 Fahrzeuge, welche partout nicht mehr anspringen wollten. Das eine war ein wunderschöner Lagonda 45 mit einem 12-Zylindermotor. Nach dem Wechseln der Zündkerzen (was seine Zeit dauerte), sprang er aber problemlos wieder an und auch das zweite Fahrzeug konnte zu einem späteren Zeitpunkt wieder flott gemacht werden, jedenfalls war es am Nachmittag wieder dabei.

Am Nachmittag war ich auf dem Flugfeld des Fife Airport eingeteilt und musste das korrekte Umrunden der Pylonen B, C und D sowie - wegen covidbedingter Absenz - auch noch den Pylon G kontrollieren (siehe unten).

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So sass ich also mitten auf dem Flugfeld friedlich in meiner winddichten und angenehm warmen 'Luisa' und erfreute mich ab dem Schauspiel, welches sich mir während fast 2 Stunden präsentierte. Im Minutentakt wurden die Fahrzeuge gestartet und man sah sehr schnell, wer seinen Oldtimer nur für diese Rallye aus der Garage holte und wer auch sonst damit fuhr. Die Langsamfahrer umkurvten die Pylonen mehrheitlich korrekt und liessen sie auch meistens unberührt stehen, während die Schnellfahrer doch das eine oder andere Mal falsch in die Pylonengasse einfuhren und dann erst noch den einen oder anderen Pylonen umfuhren. Nur wenige schafften es, alle Hindernisse schnell und fehlerfrei zu umkurven. Meistens waren das die BMW 328-er Fahrer, denn diese Fahrzeuge sind für solche Parcours wie geschaffen.

Auch der Pylon G, welcher total 1.5 mal umrundet werden musste, stellte manchen Fahrer vor grössere Herausforderungen, vor allem dann, wenn das Fahrzeug keinen grossen Lenkeinschlag aufwies. Zwei Fahrzeuge waren derart schnell unterwegs, dass sie den Pylon G übersahen, das ganze Flugfeld runter donnerten (die im Plänchen eingezeichnete Absperrung war real nicht vorhanden devil) und erst zuunterst merkten, dass etwas nicht stimmte. Auf dem Weg zurück kamen sie dann in Konflikt mit dem nachfolgenden richtig fahrenden Teilnehmenden, zum Glück gingen jedoch alle Annäherungen glimpflich aus, da trotz allem keine Anfänger in den Wagen sassen.

Um ca. 18:15 Uhr war meine Aufgabe beendet und ich fuhr ins rund 30 Minuten entfernte Dundee, wo ich in einem Best Western Hotel ein Zimmer gebucht hatte. Das alleine versprach kein besonderes zusätzliches Erlebnis zu werden, aber eben, erstens kommt es anders als am zweitens denkt. An der Reception nahm ich meine Zimmerkarte in Empfang, suchte das Zimmer auf, schloss auf und ging rückwärts die Tür aufstossend und meinen Rollkoffer hinterherziehend ins Zimmer. Ich kam noch gar nicht richtig dazu, mich über die auf dem Bett liegenden Kleider zu wundern, als auch bereits eine Dame in meinem Alter - also noch recht jung wink - aus dem Badezimmer kam. Wir schauten vermutlich beide recht komisch aus der Wäsche, wobei letztere an der Dame nur sehr spärlich vorhanden war. Verständlicherweise war sie von der aktuellen Situation nicht sonderlich begeistert, sah aber bald ein, dass es sich offensichtlich um ein Missgeschick an der Reception handelte. Langer Rede, kurzer Sinn: Ich habe später ein neues Zimmer erhalten und sowohl die Dame wie ich werden vom Hotel einen Apéro spendiert bekommen.