Road To Hanoi Marathon 29. Januar 2024 - Day 2: Ho Chi Minh City (ungeplanter Ruhetag 2)

Zwischenstand um 12:30 Uhr:

Nach einem feinen und gemütlichen Nachtessen auf der Roof-Top-Bar im Mai House Hotel haben wir bis 09:00 Uhr ausgeschlafen. Kaum waren wir vom Frühstück zurück, kam auch schon ein WhatsApp-Anruf, das Auto sei fertig und es warte ein Taxi vor dem Hotel. Mit vorsichtig optimistischen Gefühlen wurde ich zur Werkstatt gefahren, wo 'Isabella' vollständig zusammengeschraubt und frisch gereinigt vor mir stand. Die Aussage, man habe keinen erklärbaren Fehler gefunden, aber man könne das Geräusch auch bei hinten aufgebocktem Fahrzeug und leichtem Fahrbetrieb nicht (mehr?) hören, liess meine Stimmung nur unwesentlich steigen. Zusammen mit dem Mechaniker (dem gestern schon erwähnten Chef) ging ich auf Probefahrt, was im Stadtverkehr vom Ho Chi Minh City nicht ganz einfach ist. Trotzdem konnte ich manchmal bis 40 km/h beschleunigen und leider waren die Geräusche ab dem 3. bis 5. Gang nach wie vor deutlich zu hören und die Vibrationen im Gangknüppel noch deutlicher zu spüren. Interessanterweise schienen die Geräusche nicht direkt von der Geschwindigkeit abzuhängen, denn wenn man bei gleichbleibender Geschwindigkeit die Gänge 3 bis 5 durchschaltete, nahmen die Geräusche stark zu. Bei voller Beschleunigung im 1. und auch im 2. Gang war aber nichts zu hören!

Zurück in der Werkstatt bockten wir das Fahrzeug auf dem leicht abschüssigen (!) Reparaturplatz nochmals auf, legten Keile unter die Vorderräder und banden 'Isabella' hinten an einem Pfosten fest. Ich startete den Motor, legte den 3. dann den 4. und am Schluss den 5. Gang ein, so dass ich bei stehendem Fahrzeug bis 100 km/h beschleunigen konnte.

Und siehe da, es begann ab ca. 50 km/h gewaltig zu scheppern und zwar nicht im Getriebe, sondern im hinteren Differential! Das Gesicht des Mechanikers erhellte sich. Er kenne das Problem und das könne er in 1 bis 2 Stunden reparieren. Wahrscheinlich hat sich nur die Schraube, welche den Flansch für die Aufnahme der Kardanwelle im Differential festhält, gelockert. Falls dem so wäre, könnte sich das Spiel der grossen Zahnräder innerhalb des Differential je nach Belastungszustand und Drehgeschwindigkeit derart verändern, dass solche Geräusche und Vibrationen entstehen, welche dann via Kardanwelle ans Getriebe übertragen werden.

Wenn es wirklich nur das ist und das Differential selber nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde, wäre das trotz aller Umstände super! Ich bin jetzt wieder im Hotel und warte auf das nächste Telefon. So ganz traue ich dem Frieden noch nicht sad.

Falls jetzt alles wie geplant klappen täte, würden wir morgen früh losfahren und die ersten drei ursprünglich geplanten Etappen in 2 Tagen fahren. Wir kämen dann am Abend des Tages 4, also am 31. Januar in Da Nang an, wo wir auf unsere Rally-Truppe stossen würden, welche gerade des 1. offiziellen Ruhetag hinter sich gebracht hätte. Am Tag 5 könnten wir dann den normalen Rallye-Betrieb wieder aufnehmen (ich schreibe das alles noch bewusst im Konjunktiv smiley).

 

Zwischenstand um 17:00 Uhr

Leider habe ich immer noch keinen definitven Bescheid, ob die Reparatur klappt oder nicht und vor allem bis wann. Vermutlich ist es eben doch nicht nur eine losgelöste Schraube ...

Die Vietnamesen sind ein ausgesprochen nettes Volk (wenigstens haben wir bis jetzt keine anderen kennen gelernt) und sehr hilfsbereit. Wir werden auf der Rallye in Vietnam von der Firma 4UTours begleitet, die sich um alle lokalen Angelegenheiten kümmert. Sie dürfen uns gemäss dem Ministerium für Sicherheit und Transport auch nicht unbegleitet Auto fahren lassen. Normalerweise dürfen Ausländer - wie in China - ein Jahr lang gar nicht selber Auto fahren. Für uns macht man aber eine Ausnahme, vermutlich will man doch nicht ganz auf diese Devisen verzichten wink. Wir haben - wie in China - eigene Führer- und Fahrzeugausweise sowie einen Stapel behördliche Genehmigungen zum Autofahren, welche wir immer mit uns führen müssen. Jetzt nach 2 Tagen Strassenverkehrerfahrung kann ich diese Einschränkung für Ausländer durchaus nachvollziehen. Man(n) muss beim Autofahren komplett umdenken!

Irene bemerkte richtig: Es ist wie beim Skifahren. Der hinterher Fahrende muss auf den vorausfahrenden Fahrenden achten. Sehr positiv fällt auf, dass konsequent geblinkt wird (ausser von den Kamikaze-Fahrern des Typ 1, hier erübrigt sich übrigens die geschechtsneutrale Bezeichnung). Auch Helme werden sehr konsequent getragen, hingegen besteht das Schuhwerk zu 90% aus Flip-Flops. Die Abstände, welche die überholenden oder überholt werdenden Mopeds gegenüber den Autos aufweisen, sind häufig nur so gross wie die Lenkstange breit ist plus links und rechts 1 Zentimeter. Wenn es eng wird, dann sind es links und rechts nur noch je ein halber Zentimeter. Viele Autos haben deshalb rechts den Rückspiegel eingeklappt, zurück geschaut wird ja so oder so nicht.

Von unseren Rallyefreunden haben wir im Chat erfahren, dass die vietnamesische Polizei überall ist und Geschwindigkeitskontrollen durchführt. Schon sind einige reingelaufen, aber jetzt scheint das rallyeeigene Alarmsystem zu funktionieren. Das vorderste Rallyefahrzeug gibt jeweils den Standort der Kontrollen durch. Leider fallen manche Kontrollstandorte erst auf, wenn man schon rein gefahren ist. Ich gehe aber davon aus, dass sich die Insassen der nachfolgenden Fahrzeuge solidarisch an den Bussen des ersten Fahrzeuges beteiligen.

Wir werden auch vom SCCC (Saigon Classic Car Club) unterstützt. Schon beim Start waren viele mit ihren Oldtimern zugegen und haben uns in schönster Kleidung freundlichst empfangen und uns ihre Fahrzeuge vorgeführt. Bei der Suche nach einer passenden Werkstatt für die Reparatur von 'Isabella' konnte ich ebenfalls auf dieses Netzwerk zugreifen und seither ist immer jemand von ihnen dabei, wenn ich in dieser Werkstatt bin.

 

Schlussstand um 21:00 Uhr

Kurz vor 19:00 Uhr habe ich Bescheid bekommen, dass 'Isabella' wieder zusammengeschraubt und fahrtüchtig ist. So wie ich nach diversem hin- und herübersetzen verstanden habe, ist eines der Zahnräder im hinteren Differential leicht beschädigt (vermutlich ein Zahn an- oder halb abgebrochen), was dann zu diesen starken Geräuschen führt. Man versicherte mir mehrfach, dass wir so mit gutem Gewissen fahren können und mit diesen Geräuschen leben müssen. Nach Rücksprache mit Marcel Moser von der Fischer Classic Cars GmbH werden wir morgen früh losfahren und sind guten Mutes, ohne grösseren Gehörschaden die nächsten Etappenziele zu erreichen, zumal sich das Geräusch wieder etwas vermindern sollte, sobald die angebrochene Stelle etwas abgeschliffen ist. Die einzig grosse Unbekannte ist: Niemand kann bis jetzt sagen, was der Grund für die Beschädigung des Zahnrades ist.

Als es dann ums Bezahlen ging, wurde es etwas schwierig! Der Chef, seine Mechaniker und auch nicht die Personen vom SCCC (Saigon Classic Car Club) wollten auch nur einen einzigen Dong, geschweige denn einen einzigen Dollar annehmen. Trotz mehrfachem Insistieren blieb ich auf meinem Geld sitzen. Ich habe im Vorfeld schon so etwas geahnt und habe deshalb noch einige kleine Give Aways mitgenommen und grosszügig meine für solche Fälle mitgenommenen Schweizer Taschenmesser verteilt. Das kam gut an und so trennten wir uns mit Händeschütteln und freundschaftlichen Umarmungen. Ich habe dann noch nach einer Visitenkarte des SCCC-Präsidenten verlangt und mir wird zu Hause schon etwas einfallen, wie ich diesen Verein noch etwas unterstützen kann.

Einmal mehr erlebt man solch menschlich wertvollen Begegnungen in fremden Ländern nur, wenn man irgendwelche Probleme hat. Es wird für mich weiterhin Ansporn bleiben, ausländischen Gästen in der Schweiz in ähnlichen Situationen behilflich zu sein!

Den wohl höchst möglichen Ritterschlag habe ich erhalten, als der Präsident des SCCC mir erlaubte, bei Dunkelheit alleine zurück ins 5 km entfernte Hotel zu fahren. Ich fuhr nach Google-Maps, welches mich durch kleinste und sehr belebte Strassen, resp. Gassen führte. Links und rechts der Gasse waren kleine und wohl  nur den Einheimischen bekannte Restaurants vorhanden. Die draussen sitzenden Gäste mussten immer mal wieder die Stühle wegrücken, damit 'Isabella' überhaupt Platz für die Durchfahrt hatte, denn sonst verkehrten da nur Mopeds (dafür sehr viele smiley). Es ging nur im Schritttempo vorwärts und 'Isabella' wurde ausgiebig bestaunt und beklatscht.

Wohlbehalten kam ich im Hotel an, traf Irene auf der Roof-Top-Terasse und zusammen genossen wir unser (hoffentlich) letztes Abendessen in Ho Chi Minh City. Jetzt geht es dann bald ins Bett, den morgen früh um 06:30 Uhr ist Abfahrt!

Mein gestriger Taxifahrer mit dem Mustang
Mein gestriger Taxifahrer mit dem Mustang
Mein gestriger Taxifahrer mit dem Mustang
Gratis-Haare-Schneiden mitten auf dem Trottoir
Gratis-Haare-Schneiden mitten auf dem Trottoir
Gratis-Haare-Schneiden mitten auf dem Trottoir
Nach vollendeter Arbeit kurz vor der Abfahrt aus der Werkstatt
Nach vollendeter Arbeit kurz vor der Abfahrt aus der Werkstatt
Nach vollendeter Arbeit kurz vor der Abfahrt aus der Werkstatt

Kommentare

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Carlos Rieder 29.01.2024 23:01

Wir wünschen euch viel Erfolg und dass das Differenzial bis zum Schluss mitmacht. Gute Fahrt!!

Alice Leuenberger 29.01.2024 20:16

Wir hoffen sehr für Euch, dass jetzt alles klappen wird und Ihr ohne Probleme los fahren könnt !!
Viel, viel Glück und alles Gute für Euch Beide !🍀🐞

Bruno Lang 29.01.2024 17:05

Ich bedaure natürlich Eure Startprobleme, aber uns gibt es die Gelegenheit Deine herrlich humorvollen und ausführlichen Nachrichten zu lesen. Ich hoffe sehr, dass Ihr inzwischen bestens unterwegs seid und - sogar - gut angekommen seiod, wenn auch mit etwas "Geräusch"!
Hopp Isabella!!

Coci 29.01.2024 10:19

...ich druckä ganz fescht dä Duumä...!

Fabrizio Arrigucci 29.01.2024 07:42

Stets positiv bleiben - Ihr werdet das Problem finden und lösen können. Wir drücken auf jeden Fall die Daumen. "Das chunt guet".