Lima to Cape Horn 26. Oktober 2022 - Day 5: Urubamba Rest Day

Wie versprochen, hier der ausführliche Bericht zum gestrigen Tag:

Pünktlich um 03:30 Uhr sind wir im Konvoi losgefahren. Voraus fuhr ein ziviles Polizeifahrzeug und lotste uns zum südlichen Stadtausgang. Die Strassen waren nach wie vor mit Steinen und Schutt gesperrt und lediglich kleine Gassen waren offen. Aus den Strassen wurden Wege mit Sand und Kiesbelag. Da es immer noch dunkel und mehrheitlich keine Strassenbeleuchtung vorhanden war, entstand durch den von unseren Fahrzeugen aufgewirbelten und von den Scheinwerfern angestrahlte Sand eine gespenstige Szene. Es ging immer steiler den Hügel hoch und der Fahrbahnzustand wurde schlechter. Bald steckten die ersten Fahrzeuge im Sand fest und mussten von den nachfolgenden Teams angeschoben werden. Nach rund 7 km kam der ganze Konvoi zum Stehen. 'Luigi' war eines der vordersten Fahrzeuge und so konnte ich aussteigen und zur Konvoispitze laufen. Wir waren keine 50 Meter von der Einfahrt in die Hauptstrasse entfernt und doch war bald klar: Da kommen wir nie durch angry! Die Blockaden waren im Abstand von rund 100 Metern nach wie vor mehrfach da, es brannten Feuer auf der Strasse und bei jeder Blockade hielten sich rund 50 Demonstrierende auf. Auch die Polizei war mit 12 Mann in Vollmontur da, machte aber keinen Anstalten, irgendwie einzugreifen. Unser OK-Team - allen voran unser lokaler Reiseleiter - versuchte über Verhandlungen die Durchfahrt zu erhalten. Das war aber ein aussichtsloses Unterfangen, denn es gab keine gesamtverantwortliche Ansprechperson seitens der Protestierenden. Auch wenn wir die 1. Sperre hätten passieren können, hätten wir bei den nächsten mindestens 3 Sperren das gleiche Problem gehabt. Die Polizei war ratlos ... 

Inzwischen wurde es heller und ich konnte direkt am Standort von 'Luigi' einen einmündenden Trampelpfad erkennen, welcher parallel zur Hauptstrasse etwa im Abstand von 200 Metern den Berg hochführte. Zwar war auch dieser mit Steinen blockiert, aber es waren keine Demonstrierende da und die Steine konnte man schnell wegräumen. Zusammen mit zwei anderen Teilnehmenden bin ich diesen Weg hochgelaufen, bis wir ihn halbwegs überblicken konnten. Ein zuschauender Einheimischer erklärte uns, dass dieser Weg ca. 1.5 km später in die Hauptstrasse mündet, aber nur mit 4x4 Fahrzeugen befahrbar war. Nun ja, der kannte halt unsere Rallye-Truppe noch nicht.

Es war wirklich der einzige Weg aus der Stadt raus und wir wollten alle raus, ansonsten wären wir weitere ein bis mehrere Tage in der Stadt festgesessen. Wir erzählten dem OK-Team von unserem Plan. Etwas zögerlich willigten sie ein und wir begannen, die Steine wegzuräumen. Ein Teil der Polizisten in Vollmontur bewachte uns für alle Fälle. Bei genauerer Prüfung der Strecke wurde bald klar, dass einige Vorkriegsfahrzeuge das steilste und sandigste Stück wohl nicht ohne fremde Hilfe schaffen würden. Wir waren bereits wieder über 3000 Meter ü. Meer und da bringen die Fahrzeuge nicht mehr die volle Leistung auf die Räder.

Unser stark gefordetes OK-Team (welches im übrigen die letzten 2 Tage einen tollen Job gemacht hat!) zögerte immer noch, obwohl die vor mir liegenden Fahrzeuge bereits gewendet haben, auf den von den Steinen befreiten Trampelpfad eingebogen sind und sich im noch flachen und breiten Teil aufgestellt haben. Von hinten kam jetzt eine ganze Gruppe Porsche-Fahrer, bogen ebenfalls in den Trampelpfad ein, starteten aber gleich durch und wühlten sich den Hang hoch. Das gelang mehr schlecht als recht, da beim vordersten Fahrzeug mitten im steilsten Stück der Motor abstarb. So blieben alle im Steilhang stehen, mussten teilweise zurück setzen und es neu versuchen. Nach mehreren Anläufen kamen all rauf. Als nächstes gingen die ersten beiden Vorkriegsfahrzeuge auf die Strecke und kamen erwartungsgemäss nicht hoch. Sie mussten - wie auch einige Nachkriegsfahrzeuge - mit den geländegängigen Fahrzeugen des OK-Teams hochgezogen werden (auf den Fotos sieht man die effektive Steigung leider zu wenig gut).

'Luigi' gab sich im steilsten Teil keine Blösse und überwand die Steigung auf Anhieb, wenn auch buchstäblich auf dem letzten Zacken. Dank den grobstolligen Winterreifen war genügend Grip vorhanden, so dass es nur auf die Leistung ankam. Ich fuhr auf dem jetzt nicht mehr so steilen Trampelpfad weiter und gelangte tatsächlich nach 1.5 km auf die komplett verkehrsfreie Hauptstrasse und konnte ab ca. 07:00 Uhr die restlichen rund 580 km unter die Räder nehmen.

Im Lauf des Morgens kamen gemäss späteren Erzählungen alle auf diesem Weg aus der Stadt, aber bei einigen Fahrzeugen sind Schäden entstanden (Kupplung durchgebrannt, Haken abgerissen). Trotzdem war es der einzige Weg raus und einer der Polizisten hat auf englisch und nicht ganz ohne Bewunderung gesagt: Wenn wir das hier schaffen, werden wir als Streikbrecher in die Geschichte der Stadt eingehen.

Die folgende Strecke führte mich im Bereich von 4000 Meter ü. Meer auf bestens ausgebauten Strassen und praktisch ohne Verkehr dem neuen Tagesziel entgegen. Dreimal wurde ich von der Polizei aufgehalten, aber sie wollten immer nur den Pass sehen und ein Selfie mit 'Luigi' drauf schiessen. 'Luigi' lief auch bei über 4000 Metern bei den realtiv kühlen Temperatur (ca. 15° Celsius) wie am Schnürchen. Ich muss einfach immer am Gas bleiben, sonst kommt es beim längeren Teillastbetrieb zum Absterben des Motors (springt aber nach ca. 10 Sekunden 'Örgelen' und viel Gequalme immer wieder an).

Lediglich einmal ging es auf unter 2000 Meter ü. Meer zurück, wo es dann gleich 35° warm war. Der anschliessende Aufstieg wurde temperaturmässig schwierig, ich konnte nur noch im 2. Gang mit etwas höheren Touren und so sorgfältig wie möglich den Pass hochfahren. So konnte ich die Kühlwassertemperatur gerade noch halbwegs im Griff behalten. Auch das Benzin begann im Vergaser zu kochen, was der konstanten Leistungsentfaltung nicht sehr förderlich war. Auf 3000 Metern ü. Meer waren es immer noch 31° Celsius, erst gegen 3500 Meter wurde es spürbar kühler und sowohl 'Luigi' wie ich konnten aufatmen und wieder etwas schneller fahren.

Wenige Minuten vor sechs kam ich als erster Nicht-Porsche-Fahrer im wunderschönen Hotel an, duschte und ging zum Nachtessen. Wir waren zu Beginn lediglich 9 Leute, viel mehr waren noch gar nicht angekommen, resp. sind direkt ins Bett gegangen. Mit der Zeit füllte sich der Saal etwas mehr, aber kaum die Hälfte war zum Essen anwesend. Trotzdem war die Stimmung gut, denn alle waren froh, gesund und munter angekommen zu sein.

Im Laufe des Abends habe ich noch mehrmals die Tracker-Seite angeschaut und auch um Mitternacht waren noch 7 Fahrzeuge unterwegs. Heute Morgen waren dann aber fast alle da, wenn auch teilweise mit Mietwagen oder einem Touristenbus. Wie viele jetzt morgen weiterfahren können, werde ich erst am Abend nach Erhalt der aktuellen Rangliste sehen.

Heute habe ich ausgeschlafen, gefrühstückt und mich dann um 'Luigi' gekümmert. Viel gab es nicht zu tun, ich musste nur Öl nachfüllen, Wasser und Radmuttern kontrollieren. Auf dem Weg zum Tanken bemerkte ich, dass beide von den Radsonden gesteuerten Tripmaster nicht mehr gehen (gestern habe ich diese nicht gebraucht). Beim TerraTrip war es mir egal, da ich diesen so oder so nicht verwende und nächstens ersetzen werde. Hingegen der Monit muss schon funktionieren, denn mit einem nur GPS gesteuerten Tripmaster hat man zu grosse Abweichungen auf den Regularities. Also bockte ich 'Luigi' auf und fand auch bald das Problem. Bei der TerraTrip-Sonde hat sich vermutlich ein Steinchen zwischen den Sondenkopf und den drehenden Teil geklemmt und auf dem Sondenkopf eine grosse Schramme hinterlassen. Bei der Monit-Sonde war das Kabel ca. 10 cm nach dem Sondenausgang derart gequetscht, dass einer der drei Leiter gerissen ist. Zum Glück lasse ich bei der Erstmontage einer solchen Sonde immer genügnd Kabel übrig, so dass ich das jetzt problemlos nachziehen und anschliessen konnte. Auf jeden Fall geht der Monit wieder smiley.

Morgen - dem 6. Tag - sollte die Rallye wieder ganz nach Plan weitergehen. Es sind 530 km und zwei Regularities angesagt, bis wir dann ab 18:00 Uhr in Puno eintreffen.

Nachtrag

Das Video zeigt einen Teil unserer Fahrt im Konvoi bis zum Punkt, wo es nicht mehr weiterging. Leider ist die Fahrt den steilen Hügel hinauf nicht mehr auf meiner Dash-Cam gespeichert sadsadsad ...

Das vor mir fahrende Auto ist fast baugleich wie 'Luigi', aber ein Jahr älter. Das Fahrzeug ist optisch und technisch in einem hervorragenden Zustand, da wurden alle Register gezogen. Allerdings kommt er in der dünnen Luft kaum weiter und überhitzt ständig. Einmal mehr gilt auf solchen Rallyes: Keep it as simple as possible but not simpler

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Start am frühen Morgen - Photo by Will Broadhead
Start am frühen Morgen - Photo by Will Broadhead
Start am frühen Morgen - Photo by Will Broadhead
Volvo PV544 vom Michael und Eveline - Photo by Will Broadhead
Volvo PV544 vom Michael und Eveline - Photo by Will Broadhead
Volvo PV544 vom Michael und Eveline - Photo by Will Broadhead
Fahrzeug Nr. 20 - Photo by Will Broadhead
Fahrzeug Nr. 20 - Photo by Will Broadhead
Fahrzeug Nr. 20 - Photo by Will Broadhead

Kommentare

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Hampi 27.10.2022 22:49

Lieber Manuel
da geht ja gleich zu Beginn die Post ab. Ich war 1988 in dieser Gegend über die Anden hinten auf alten LKWs. Zu dieser Zeit haben die Mitglieder des leuchtenden Pfades die Strassen (alle noch aus Schotter) gesperrt.
Wir wünschen dir eine unfallfreie und erfolgreiche Rally.
Vielen Dank für die spannenden Berichte.
Liebe Grüsse Hampida