Lima to Cape Horn 24. Oktober 2022 - Day 3: Ausserplanmässiger Ruhetag

09:00 Uhr

Wieder bin ich sehr früh aufgewacht und hatte Zeit, die Vorgaben für den heutigen Tag zu verarbeiten. Offenbar trafen die letzten Teilnehmenden erst nach Mitternacht ein, resp. Gerüchten zur Folge sind gar nicht alle eingetroffen. Das Organisatoren-Team hatte jedenfalls alle Hände voll zu tun, daher haben wir ausser den Vorgaben für den heutigen Tag keine weiteren Informationen erhalten, ausser der Meldung, dass alle Zeitstrafen der gestrigen Abendankunft gestrichen werden. Das mag ja in einem gewissen Sinne nachvollziehbar sein, aber wenn es ca. 10 Teams pünktlich geschafft haben, bleibt doch etwas ein schaler Nachgeschmack übrig. Aber wir sind ja erst am Anfang des 3. Tages . 

Leider konnte dieser 3. Tag noch nicht gestartet werden, da offenbar alle aus der Stadt führenden Strassen mit grossen Steinen blockiert sind. Niemand kann rein und niemand kann raus. Es sei eine Kundgebung auf dem grossen Platz direkt bei unserem Hotel gegen die lokale Politik geplant. In der Tat hat es dort ein grosses Polizeiaufgebot, allerdings machen die Polizisten den Eindruck, dass sie das alles nichts angehe. Das Organisatoren-Team sucht nun nach einem Schleichweg aus der Stadt, hat aber schon angkündigt, dass wir im schlechtesten Fall nochmals eine Nacht hier bleiben müssten. Das würde den Rallye-Plan ganz gehörig durcheinander bringen, resp. wohl auf Kosten des Ruhetages vom kommenden Mittwoch gehen. 

Ändern können wir das nicht, also nehmen wir es so, wie es kommt. Ich hatte bereits Zeit, die Batterien in meinem Tracker zu ersetzen und nun wird die Nummer 9 wieder korrekt angezeigt. Der Tracker ist noch in meiner Hosenstasche, also könnt ihr derzeit schauen, wo ich genau sitze und diese Zeilen schreibe. Den Link dazu findet ihr hier und wenn ihr auf der Seite seid, müsst ihr den Reiter Competitor Tracking wählen (auf PC ausführen, geht auf dem Handy sehr schlecht). Mit der Zoom-Funktion auf der Karte kann man sehen, dass ausser der Nummer 3 (fuhr zurück nach Lima) auch die Nummern 21 und 24 das Tagesziel nicht erreicht haben.

09:30 Uhr

Offenbar gehen die Demonstrationen auf dem nahen Hauptplatz jetzt los, denn es wurde uns empfohlen, das Hotel nicht zu verlassen. Es scheint aber - bis jetzt - alles geordnet und gesittet zuzugehen. Auf der anderen Seite des Hotels ist jedenfalls alles ruhig, ich sehe von meinem Tisch direkt auf die Strasse und da hat es kaum Leute und auch kaum Verkehr. Ganz im Gegensatz zu gestern Abend, wo alles gerangelt voll war.

11:30 Uhr

Die Polizei kann uns auf Grund der Studenten-Demonstrationen kein sicheres Geleit aus der Stadt garantieren. Wir werden ziemlich sicher nochmals hier übernachten müssen. Das Organisatoren-Team versucht jetzt, nochmals Unterkünfte und Essen zu organisieren. Zum Glück werden sie von einem lokalen Mitarbeiter eines Reisebüros unterstützt, welches uns auf der ganzen Rallye begleitet. Notfalls schlafe ich in 'Luigi' im abgesperrten Parking-Bereich, denn die Sitze sind sehr bequem und Anschnallen könnte ich mich auch . Wie immer in solchen Situationen darf man den Humor nicht verlieren (was einigen ganz schlecht gelingt), denn was nicht zu ändern ist, ist nicht zu ändern. Wenigstens ist das Wetter traumhaft schön und (fast schon zu) warm. Weitere Infos erhalten wir um 15:00 Uhr Ortszeit. Zur allgemeinen Beruhigung: Die Situation ist nicht gefährlich!

16:30 Uhr

Inzwischen ist es definitiv, dass wir nochmals am gleichen Ort übernachten. Alle Zimmer konnten nochmals gebucht werden, da ja auch keine neuen Gäste in die Stadt reinfahren konnten. Also habe ich mein Gepäck aus dem Auto geholt, bin erneut 550 Meter den Berg hoch gelaufen und habe mich wieder in meiner 'Suite' einquartiert. Um 17:00 Uhr ist eine Sitzung zwischen unserem Organisatoren-Team und dem OK der Streikenden anberaumt. Wir können nicht ausreisen, wenn diese uns kein freies Geleit garantieren und wenigstens 1 Strasse räumen. Die Polzei scheint relativ machtlos zu sein, resp. sie machen eigentlich gar nichts ausser Präsenz zu markieren. Die Streikenden sind alles Uni-Studenten und fordern von der Regierung mehr Ausbildungsunterstützung, mehr Professoren und mehr Laboratorien. Das Geld sei vorhanden. Der harte Kern des Streikumzugs war nicht sehr gross (vielleicht 200 Leute), aber es folgte auch noch eine nicht übersehbare Menge der Stadtbevölkerung. Der Umzug lief direkt an unserem Hotel vorbei, aber alles verlief friedlich und ausser den COVID-Masken waren keine Vermummungen zu sehen. 

Wir wissen noch nicht, wann wir morgen aufbrechen können. Geplant ist, dass wir die heutige und die morgige Etappe direkt hintereinander als Transit-Strecke ohne Sonderprüfungen fahren, das wären dann gemäss Google Maps um die 600 km und es sind dafür rund 12.5 Stunden vorgegeben. Dies alles auf plusminus 4000 Meter ü. Meer. Am Dienstagabend kämen wir im geplanten Hotel an und am Mittwoch wäre dann der erste offizielle Ruhetag, wo einige einen Ausflug auf den Machu Picchu gebucht haben. Alles in allem wird es morgen erneut recht anspruchsvoll werden.

Um 19:00 findet das Essen in einem Restaurant am Zentralplatz statt, da das Hotel nicht mehr genügend Nahrungsvorräte hat (auch Lastwagen kommen nicht in die Stadt). Dann werden wir letzte Anweisungen erhalten, aber wir werden wohl spätetens um 06:00 Uhr abfahren müssen, sofern man uns überhaupt abfahren lässt.

Inzwischen wurde die aktuelle Rangliste veröffentlicht. Da ich alleine fahre, bin ich von der offiziellen Rangierung ausgeschlossen und ich würde auch keinen Preis erhalten. Aber ich werde trotzdem auf der Rangliste geführt, bin aber in einer eigenen Gruppe H (keine Ahnung für was dieser Buchstabe steht) eingeteilt. Stand jetzt wäre ich auf dem 8. Gesamtrang und auf dem 1. Rang in der Kategorie der Vorkriegsfahrzeuge klassiert.

Ich werde jetzt noch etwas am Kopfkissen horchen, dann zum Essen gehen und die neuesten Informationen abholen.

20:30 Uhr

Diejenigen, die wollen, können morgen früh um 03:30 Uhr die Stadt im Konvoi verlassen. Die anderen können so lange warten, bis sich die Lage entspannt hat und müssen dann in eigener Verantwortung der Rallye nachreisen. Ich werde in jedem Fall morgen im Konvoi losfahren, schliesslich habe ich ja ein Abenteuer gebucht und eine so frühe Abfahrt (brrrrr...) gehört halt auch dazu (Erinnerungen an die Himalaya Challenge 2018 werden wach). Sobald wir aus der Stadt sind, werden wir gemäss Roadbook und Wegpunkten Richtung Urubamba weiterfahren. 

Das Nachtessen war sehr gut. Wir sassen im 1. Stock des Restaurants am Hauptplatz, hatten direkten Blick auf alle Kundgebungen und bekamen alles hautnah mit. Nach wie vor wurde friedlich demonstriert und von der Polizei war auf den ersten Blick nichts zu sehen. Auch die Bevölkerung machte einen sehr entspannten Eindruck, einige liefen aus Solidarität mit, anderen gingen des Weges, als wäre Normalbetrieb.

So, fertig für heute, ab ins Bett .