The 7. Peking to Paris Motor Challenge 30. Juni 2019 - Day 29: Tallinn nach Riga (365 km)

Der Morgen startete gleich mit einem Rundkurs auf einer gemischten Asphalt-Kiesstrecke und wurde von uns gewohnt zurückhaltend absolviert. Wir bekamen einen nicht ganz masstäblichen Streckenplan mit allen zu durchfahrenden Kurven in die Hand gedrückt. Es war eigentlich keine grosse Sache, trotzdem hat sich ein Team verfahren und musste ein paar Meter zurücksetzen. Wie dieses nur die Wüste Gobi geschafft hat?

Estland zeigte sich ebenfalls von der schönsten Seite, das Wetter war freundlich und angenehm kühl. Der EU-Einfluss ist gut zu erkennen (und wohl auch unsere Kohäsionsmilliarden wink), vor allem bei den Landmaschinen, welche topmodern und riesig sind. Wenn die einem auf der Strasse begegnen, weicht man freiwillig frühzeitig aus! Bei manchen gut ausgebauten Strassen hat es ein Schild mit der Aufschrift: Gebaut mit Fördermitteln der EU. Das gleiche gilt für Lettland, dessen Grenze wir am Nachmittag überfahren haben.

Über Mittag hatten wir viel Zeit um bei einer Raststätte zu rasten und ein Automobilmuseum anzusehen. Es waren vor allem russische Fahrzeuge sowie ein Opel Kapitän ausgestellt, aber alle in einem Topzustand. Vor der Raststätte bildete sich eine grosse Menschengruppe, welche uns fotografierten und ausfragten. Eine deutsche Motorradgruppe auf dem Weg zum Nordkap rastete zur gleichen Zeit und als wir ihnen unsere Strecke erklärten, fanden sie ihren eigenen Weg gar nicht mehr so besonders aufregend. 

Wir fuhren viel über das saftig grüne Hinterland, lange dem Rigaischen Meerbusen entlang und nur wenige Kilometer auf Autobahnen. Kurz vor Riga konnten wir nochmals einen Rundkurs absolvieren und ein weiteres grösseres Automuseum besuchen. Schon 1 Stunde vor der geplanten Zeit kamen wir im Hotel an und freuen uns jetzt auf den Abend. Röbi wird mit einem anderen Schweizer Teilnehmer Riga anschauen gehen, während ich hier den Bericht schreibe und dann weiss sonst noch was machen werde.

Der Rallyebetrieb ist zeitlich deutlich angenehmer geworden. Wir hatten die letzten Tage immer wieder Zeit für Fotos, Verpflegung und Pinkelpausen. In der ersten Rallyehälfte war das nicht möglich, wenn man den Zeitplan einhalten und innerhalb des gesetzlichen Rahmens fahren wollte. Selbst die Pinkelpausen mussten dort auf das Minimum beschränkt werden und wehe, wenn einem die Prostata noch einen Strich durch die Rechnung gemacht hat oder die Damen zu lange nach einer geeigneten Örtlichkeit suchen mussten.

Dafür machen jetzt die einen oder anderen Fahrzeuge wegen Motoren- und Getriebeschäden schlapp. Manche Kupplung tönt, als sei sie in den letzten Zügen. Andererseits kommen jetzt manche Teilnehmer wesentlich besser voran als am Anfang der Rallye. Dies hat damit zu tun, dass diese Fahrzeuge nicht optimal  vorbereitet waren und erst jetzt auf Grund der vielen Reparaturen unterwegs als gut präpariert und rallyetauglich betrachtet werden können. Für diese Teilnehmer könnte die Rallye jetzt nochmals in Peking starten.

Einige Fahrzeuge - primär die offenen - haben in der Mongolei besonders gelitten, weil die Carrosserie einfach zu wenig steif war. Die Türen schliessen nicht mehr richtig und die Abstände der verschiedenen Blechteile sind oben wie unten sehr unterschiedlich. Es sind eindeutig bananenförmige Ausprägungen zu erkennen, auch wenn die vorhandenen Krümmungen noch keine EU-Norm erfüllen. Röbi sieht da keine besonderen Probleme darin, er meinte nur: Wenn ich diese Fahrzeuge auf meine Carrosserie-Richtbank spanne und am richtigen Ort ziehe und drücke, sehen die nachher wieder aus wie neu! Ich habe den Wink verstanden und werde wohl heimlich seine Visitenkarten verteilen smiley.

Hier in Riga treffen wir auf einen Teilnehmer von der Rallye aus dem Jahre 2016. Er hatte damals mit seinem offenen Bentley auf einer Sonderprüfung einen schweren Selbstunfall erlitten, genas aber - soweit ich weiss - vollständig und möchte jetzt den Rest der dannzumals verpassten Strecke mit uns mit nach Paris fahren. Wir wünschen ihm alles Gute und ein erfolgreiches Ankommen im Ziel!

Einmal mehr ist es interessant zu beobachten, wie die Truppe irgendwie täglich menschlich etwas näher zusammenrückt. Das habe ich schon auf früheren Rallyes festgestellt. Plötzlich kommt man ins Gespräch mit Teilnehmern, mit welchen man bislang kein einziges Wort gewechselt hat, findet gemeinsame Themen und fragt sich dann, wieso man sich nicht schon früher gefunden hat. Wahrscheinlich sind alle zu Beginn viel zu stark mit sich und dem Fahrzeug beschäftigt und erst jetzt, wo die Tage langsam in den Bereich 'business as usual' kommen, bleibt Zeit, mehr links und rechts zu schauen.

Morgen geht es weiter via Littauen nach Polen. 'Isabella' läuft nach der gestrigen leichten Kurzatmigkeit - wir mussten den Luftfilter ausblasen - wieder perfekt. Die Temperaturen stiegen am Nachmittag deutlich an, vermutlich kommen wir jetzt ebenfalls in den Einflussbereich des Hochs, welches euch zu Hause schon eine Weile etwas schwitzen lässt. 

 

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Iris Tripet 30.06.2019 09:31

Lieber Mäni, lieber Röbi

Leidenschaftlich lesen wir Deinen abenteuerlichen, informativen und immer wieder überraschenden Rallyblog. Diesmal haben wir die Lektüre auf den frühen Morgen verschoben, sonst könnten wir definitiv, ab all den Ereignissen und dem Mitfiebern, nicht mehr einschlafen, so aber starten wir hellwach in den Tag.
Es könnten ja zwei Männer ohne «Isabella» plötzlich im Strudel von LastwagenfahrerInnen irgendwo in Sibirien noch auf die falsche Spur geraten. Da bleibt den Frauen natürlich kurz der Atem stecken. Vernünftigerweise oder wohlwissend habt Ihr sicher immer in Eure eigenen Betten gefunden, ich meine was würdet Ihr ohne Eure Frauen machen….Ich finde es nicht selbstverständlich und mutig, dass Sybille spontan und ohne zögern mit 40kg Schwermetall den Weg zu Euch und «Isabella» nach Novosibirsk gefunden hat.
Im übrigen bin ich mir nach Eurer vielschichtigen Streckenbeschreibung nicht so sicher, ob mein geliebter «Kübelimann» mit der täglichen Reinigung noch nachkommen würde ;-)

Ich weiss auch nicht, ob ich mir nur annähernd einen Überblick im "Mechanikvokabulardschungel" verschaffen könnte. Ich meine wer von den meisten Frauen kennt schon was ein Simmenring am Kardaneingang ist oder ein Schmiernippel von den Ölspuren ganz zu schweigen….ähmm wo befinden wir uns eigentlich genau?! Aha, ja auf einer Rally von Peking nach Paris, hab ich schon fast vergessen.
Auch find ich es zu schätzen, dass Ihr als alte «Rallyhasen» doch einigermassen Verständnis für die Novizen aufbringt, aber schliesslich muss ja für Nachwuchs gesorgt werden. Für die allgemeine Stärkung ist Eure Kaffeemaschine sicher der ideale Treffpunkt und wie ich Dich kenne, gebt Ihr sicher gerne den einen oder anderen wertvollen Tipp an die «Konkurrenz» ab. Wir haben jedenfalls Deine wertvolle Unterstützung auf allen Ebenen immer sehr geschätzt.

Aha ja, bitte verzeiht das Wort «alt», natürlich meine ich sehr erfahrene, intelligente und wie wir im Blog mehrmals bestätigt bekamen, überaus fotogene, sympathische, gut aussehendes Rallyteam. Es wird ja sogar ab und zu auf das Nacht- oder Morgenessen verzichtet, lässt da die Eitelkeit grüssen?!
Zum Thema Italiener habe ich mich einen klitzekleinen Moment gefragt, ob vielleicht unser Lancia Fulvia das einzige italienische Modell gewesen wäre, welcher keine Panne gehabt hätte. Leider werden wir das nie wissen, aber ich fühle mich nach Transamerika verpflichtet die Italiener zu verteidigen! Zum Glück ist der Dino nun wieder dabei und kann den völlig zu Unrecht schlechten Ruf der Italiener noch retten, hopp Dino hopp!
Nun trennen uns nur noch ein paar Tage von Euer Ankunft und unserem Welcome in Paris, die Freude ist gross, wir wünschen Euch eine unfallfreie, aber weiterhin spannende Reise.
Ich hoffe Ihr habt immer noch ein paar Victorinox-Taschenmesser für den Notfall übrig
und natürlich erwarten wir ein blitzblankes «Isabella Team».

Hochachtungsvoll vor Eurer Leistung und zugegebenermassen etwas neidisch auf Eure unvergesslichen Erlebnisse, the «Kübeli Tripet’s»