Islands of Japan 10.10.2025 - Day 22: Miyazu to Kurashiki (298 km)
Andere Länder, andere Sitten! Nach einem geruhsamen und quantitativ überschaubaren Gin-Apéro haben wir uns gestern um 19:02 zum Nachtessen begeben. Am Eingang war bereits eine kleine Warteschlange vorhanden und als wir dazustiessen, wurde eine Horde Asiaten, deren Herkunft wir nicht genau feststellen konnten, auf den Eingang losgelassen. Ich kann euch versichern, dass der Ansturm auf schweizerische Seilbahnen am Morgen früh bei schönstem Winterwetter ein wahrlich laues Lüftchen ist! Wir wurden vom Strudel der stürmenden und schwatzenden (nett gesagt) Asiaten förmlich mitgerissen und nur dank der Tatsache, dass wir unsere Buffet-Gutscheine bereits in der Hand hatten, nicht platt gewalzt!
Nun erwachte auch unser Kampfgeist! Mit zunehmender Vehemenz bahnte ich mir mit Irene im Schlepptau den Weg durch die pulsierende Menge und tatsächlich ergatterten wir einen freien Tisch und platzierten sogleich und gut sichtbar unsere Tischreservierungskarte, welche wir beim Eingang in die Hand gedrückt bekamen. Einem knapp 5-sekündigen Verschnaufen folgte der Gang zum gut bestückten Buffet. Die Marschrichtung an den einzelnen Essensstationen war mehrsprachig vorgegeben und ob man wollte oder nicht, man wurde einfach wie auf einem Fliessband weitergeschoben.
Dank meiner Grösse und Körperfülle (im Verhältnis zu den Japanenden) konnte ich die Menge doch etwas im Zaume halten und gleichzeitig die gewünschten Essensanteile schöpfen. Das Angebot war einmal mehr riesig und für Fischliebhaber nahe beim Nirwana
. Aber auch der Lärmpegel des ganzen Umfeldes war in ähnlich hohen Gefielden, was eine normale zwischenmenschliche Kommunikation verunmöglichte. Unweigerlich kam mir das Lied von Reinhard Mey Die heisse Schlacht am kalten Buffet in den Sinn, ohne bestätigen zu können, dass am Schluss 10% an 'Brot für die Welt' überwiesen wurde.
Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, dass wir den riesigen Essenssaal schon kurz nach dem letzten geschluckten Bissen verlassen und unser verhältnismässig ruhiges Zimmer aufgesucht haben.
Der heutige Tag begann bei schönem und kühlem Wetter. Wider Erwarten kamen wir zu einem Frühstück, aber vor allen darum, weil wir zuerst unser Zimmer abgaben und alles Gepäck im Auto verstauten. In dieser Zeit hatten die anderen Gäste bereits gegessen und bestiegen ihre Autobusse. Uns blieben so noch rund 30 Minuten bis zum Start und das reichte bei recht angenehmer Atmosphäre gut für die nötige Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
.
Die ersten beiden Regularity absolvierten wir mit 1 und 0 Sekunden gut, aber bei der 3. Regularity kamen wir ganz schön ins Schwitzen! Wegen der Blokade durch ein grösseres mutmassliches Forst-Fahrzeug sah ich den richtigen Abzweiger viel zu spät und schon waren wir vorbei. Ein Rückwärtsfahren war auf der sehr schmalen, engen und unübersichtlichen Strecke nicht möglich, resp. wegen den nachfolgenden Fahrzeugen zu gefährlich. Also fuhren wir weiter in der Hoffnung, bald wenden zu können. Das dauerte aber ein ganze Weile und bald war klar, dass wir die Maximalstrafe von 60 Sekunden einziehen würden. Irene schlug vor, nochmals an den Start der Regularity zu fahren und neu zu beginnen. Da es sich um einen Selbst-Start handelte, fiel das keinem Funktionär auf (aber natürlich den anderen wartenden Teilnehmern).
Gesagt, getan, aber das war gar nicht so einfach, denn wir wollten auf der Rückfahrt an den Start die nachfolgenden heutige Fahrzeuge, welche immer im Minutentakt starteten, keinesfalls behindern. So warteten wir ein uns entgegenkommendes Fahrzeug in einer Ausstellbucht ab, fuhren dann 45 Sekunden weiter zurück und warteteten in der nächsten Ausstellbucht, resp. dort wo ein Kreuzen halbwegs möglich war, auf das nächste Fahrzeug. So kamen wir unbeschadet an den Start zurück.
Beim 2. Versuch klappe es zu Beginn sehr gut, aber dann kam uns - vermutlich an der dümmstmöglichen Stelle - ein japanisches Fahrzeug entgegen, ein Kreuzen war unmöglich. Der ältere Fahrer erschrak sichtbar und uns war schnell klar: Der wird so schnell nicht ausweichen können! Also fuhren wir beinahe 70 Meter rückwärts bis zu einer halbwegs passablen Ausweichstelle, mussten dann aber noch eine ganze Weile warten, bis sich der Japaner wieder vorwärts getraute und an uns vorbeifuhr. Danach nahmen wir zügig Fahrt auf, aber natürlich stimmte jetzt unter Tripmaster nicht mehr, wir waren ja mutmasslich 70 Meter zurück und wieder 70 Meter zum 2. Mal vorwärts gefahren. Zum Glück war die Strecke nach hinten halbwegs übersichtlich, so dass keine Gefahr bestand, dass uns ein nachfolgendes Rallye-Fahrzeug übersehen würde.
Die Aufholjagd begann und obwohl die Strecke auf Gravel wechselte, waren wir bald wieder auf der richtigen Zeit, aber natürlich rund 140 Meter zu weit hinten. Umgerechnet auf den geforderten Schnitt von 35 km/h entsprach das etwa einer 14-sekündigen Verspätung. Die Strecke wurde zunehmend holperiger und schwieriger zu befahren und so hatten wir später im Ziel immer noch 7 Sekunden Verspätung
. Aber es hätte schlimmer kommen können!
Natürlich haben wir dem Marschall am Schluss der Etappe mitgeteilt, dass wir die Regularity 2 Mal begonnen haben und auch am Schluss der Etappe haben wir das Clerk of the Course erzählt. Zu unserem Erstaunen blieb aber alles ohne strafrelevante Folgen, denn was die Marshalls nicht offiziell sehen, können und tun sie auch nicht ahnden. Also haben wir alles in allem Glück gehabt, aber natürlich trotzdem zwischen 5 und 6 Sekunden auf unsere nächsten Verfolger verloren. Es ist und bleibt spanndend!
Bereits um Mittag war die Etappe im HimeJi Castle fertig und wir hatten den Nachmittag zur freien Verfügung. Bis ins heutige Hotel waren es noch 115 km, davon 105 km auf der Autobahn. Diese war durchgehend mit 2 Spuren pro Richtung ausgebaut und stark von Lastwagen befahren. Die Geschwindigkeit war auf 80 km/h begrenzt, woran sich aber erstaunlicherweise niemand gehalten hat, auch die Lastwagen nicht. Es gibt 2 Sorten von Lastwagen auf Japans Autobahnen: Die einen fahren 88 km/h und die anderen 89 km/h. Entsprechend häufig und lang ist die Überholspur besetzt und macht ein schnellerers Vorwärtskommen nur schwer möglich. Aber wir haben es geschafft und sind zudem umgerechnet CHF 17 auf dieser gut 100 km langen Strecke losgeworden
.
Gerne hätten wir irgendwo in einem 'Beizli' oder auf unserer Hotel-Terrasse in der Nachmittagssonne ein Bierchen oder ähnliches genossen. Leider gibt es das in Japan nicht, denn die landestypischen Anstandsregeln verbieten das Essen und Trinken im Freien, ganz nach der Devise: Nur nicht auffallen, weder mit Gerüchen, Geräuschen oder anderen lautmalerischen Tätigkeiten. Schade, irgendwie vermissen wir die für uns Europäer typische Lebensfreude, ich könnte hier nicht dauerhaft leben!


