Internationale Alpenfahrt Bad Kleinkirchheim 15. September 2011

Der Zufall wollte es, dass die vier Fahrzeuge mit Schweizer Kennzeichen von der Startnummer her ziemlich nah aufeinander folgten und entsprechend nah waren die Fahrzeuge am Start-Morgen im ‚Parc fermé‘ aufgestellt. So lernte sich die Eidgenossen-Truppe schnell kennen. Zu dieser Truppe zählte auch ein aus Österreich stammendes, teilweise schon länger in der Schweiz wohnendes Brüderpaar, welche unsere Landesdelegation in bester Manier bereicherte.

Bei der Besichtigung der historischen Fahrzeuge und deren Fahrerteams wurde schnell klar, dass sich die Spreu vom Weizen bald trennen würde. Während meine Frau und ich zum ersten Mal eine ‚Schnitt-Tabelle‘ in der Hand hatten und keine Affinität zu bekannten ‚Schnitt-Mustern‘ erkennen konnten, sassen andere Teams mit kritischer Miene und gewetzten Stopp-Uhren über diesen Tabellen und murmelten für uns unverständliches Zeugs. Da war von Abweichungen wegen der Temperatur und des Luftdrucks gegenüber den Referenzmessungen die Rede und eine Diskussion über den Sinn und Unsinn von mit Helium gefüllten Reifen wollte kein Ende nehmen. Da haben wir uns ja auf etwas Schönes eingelassen!

Pünktlich um 12:01 Uhr startete das erste Fahrzeug unter grosser Publikumsteilnahme zum ‚Pirelli-Prolog‘ und im Minutentakt folgten die weiteren Fahrzeuge. Schon kurz nach dem Start musste eine Timing-Prüfung durchfahren werden, bei welcher man innerhalb von definierten Zeitfenstern eine eigene Zwischen- und Schlusszeit fahren musste. Diese beiden gefahrenen Zeiten bildeten dann die Basis für die Zeiten der folgenden Durchgänge auf der gleichen Strecke in den nächsten Tagen. Souverän meisterten wir den ersten Durchgang in den vorgegebenen Zeitfenstern. Erst nach der Zieleinfahrt merkten wir, dass die Stoppuhr für die Zwischenzeit unvermindert weiterlief. Die Schweizer sind ja bekannt für eine etwas diplomatische Zurückhaltung und so fiel die erste Diskussion im Fahrzeug recht ruhig aus, zumal auch das Dach geöffnet war und wir uns nicht schon zu Beginn eine Blösse geben wollten. Meine Frau schlug dann eine ungefähr passende Zwischenzeit vor, welche von jetzt an die Basis für die nächsten Durchgänge auf diesem Parcour bildete. Unnötig zu sagen, dass die mit weiblicher Intuition angenommene Zwischenzeit am Schluss besser passte als die effektiv gefahrene Schlusszeit!

Bald darauf musste eine mehrere Kilometer lange verkehrsarme Strecke in einer vorgegebenen Durchschnittsgeschwindigkeit möglichst exakt durchfahren werden. Das hatten wir eigentlich gar nicht so schlecht hingekriegt. Schnell merkten wir, dass wir uns auf den Ton der konstanten Tourenzahl besser verlassen konnten als auf den wackelnden Geschwindigkeitsmesser. Mit der Schnitt-Tabelle kamen wir weniger gut zurecht, denn dazu benötige man eine Stoppuhr mit Schleppzeiger, was wir erst später erfuhren und sowieso nicht dabei hatten.

Die zweite Gleichmässigkeitsprüfung verlief zu Beginn noch besser als die erste, bis wir nach einer Kurve abrupt stoppen mussten. Vor uns überquerte eine stattliche Kuhherde die Strasse und zeigte keinerlei Verständnis für das Einhalten von Durchschnittsgeschwindigkeiten und anderen Rallye-Besonderheiten. Als dann noch eine Kuh den Kühlergrill unseres Ford Mustangs abzulecken begann, wurden wir doch etwas ungeduldig und ich drückte vorsichtig den Hup-Knopf. Eine folgsame Schweizer-Kuh wäre spätestens jetzt ein paar Schritte zurückgewichen, aber dieses österreichische Prachtexemplar war entweder taub oder sich solche Ereignisse bestens gewohnt. Genüsslich leckte sie weiter am Kühlergrill und so verloren wir mehr als zwei Minuten, bis die Strasse wieder frei war.

Im ÖAMTC-Fahrtechnikzentrum Mail musste auf abgesperrter Strecke eine mit Pylonen definierte Strecke in einer vorgegebenen Zeit durchfahren werden. Erschwerend kam dazu, dass auf der Strecke Abschnitte mit verschieden haftenden Belägen vorhanden waren, welche das Fahrzeug bei zu forscher Fahrweise schnell zum Ausbrechen brachte. Hier waren uns die Erfahrungen aus vergangenen Winter-RAID’s eine grosse Hilfe. Unser Ford Mustang – bei solchen Strassenbedingungen auch als ‚Heckschleuder‘ bekannt – kurvte dank sorgfältigem Gaspedaleinsatz fehlerfrei um die Pylonen und zu guter Letzt mussten wir unser Tempo noch gewaltig reduzieren, damit wir nicht zu früh am Ziel ankamen und so die Sollzeit bis auf wenige Zehntelsekunden erreichten.

Die Sonderprüfung auf die ‚Turracher Höhe‘ war für uns in verschiedener Hinsicht eine neue Herausforderung. Diesmal war keine konstante Durchschnittsgeschwindigkeit mehr vorgegeben sondern man musste nach einer am Start der Sonderprüfung ausgehändigten Schnitt-Tabelle fahren. Diese Schnitt-Tabelle enthielt verschiedene Durchschnittsgeschwindigkeiten, was uns aber zunächst weder auffiel noch störte, da wir infolge mangelnder passender Stoppuhr so oder so verschiedene Geschwindigkeiten fuhren. Erst als wie unseren eine Minute früher gestarteten Vorfahrer in Sichtweite sahen, wurde uns klar, dass irgendetwas nicht stimmte und drosselten das Tempo. Der Nebel wurde zudem immer dichter und die Durchschnittsgeschwindigkeit musste den Sichtverhältnissen angepasst werden. Die Abzweigung zum zweiten Teil der Sonderprüfung auf der Turracher Höhe haben wir vor lauter Nebel nur dank der Leuchtweste eines Funktionärs nicht verpasst und wo genau die Schlusszeit gemessen wurde, wissen wir bis heute nicht.

Auf dem Rückweg nach Bad Kleinkirchheim lichtete sich der Nebel zusehends und zu guter Letzt gab es sogar noch ein paar Sonnenstrahlen. In Bad Kleinkirchheim musste wieder der gleiche Timing-Parcour wie am Morgen durchfahren werden, allerdings in umgekehrter Richtung. Leicht gefrustet vom mutmasslich schlechten Abschneiden an der Turracher-Sonderprüfung fuhren wir diese Timing-Prüfung mehr auf Show mit Sliding-Einlage für das Publikum als auf Zeitexaktheit (gemäss Schlussabrechnung war dieser Durchgang nicht mal unser schlechtester …). Wohlbehalten kamen wir rechtzeitig im Ziel an und nahmen die Tagesauswertung in Empfang. Die vom Veranstalter sorgfältig zur Verfügung gestellten Strafpunkte haben wir höflich und grosszügig aufgesammelt. Auf der ersten Gleichmässigkeitsprüfung sind wir zwar gleichmässig gefahren, aber teilweise auf der falschen Strecke. Die querende Kuhherde hat uns an der zweiten Prüfung wie erwartet die maximale Strafpunktzahl eingebracht. Der einzige kleine Trost war, dass es bei der Sonderprüfung auf die ‚Turracher Höhe‘ noch schlechtere Teilnehmer gab als wir.

Zurück im Hotel begaben wir uns an die Bar um die Tagesergebnisse zu analysieren und zu verdauen. Wie bei allen unseren früheren Rallye-Teilnahmen begannen wir, unsere Was wäre wenn-Rangliste aufzustellen und erwartungsgemäss wären wir immer noch ganz vorne dabei gewesen, hätten wir keine Fehler gemacht. Aus dieser Sicht und zusammen mit ungefähr einem Viertele Rotwein war die Welt doch schon wieder in Ordnung!