Le Jog 05.12 - Etappe 5: Aviemore to John O'Groats (00:30-10:30 Uhr)

Von Schlafen konnte natürlich nicht die Rede sein, so schnell wie bei 'Luisa' der Motor abkühlte, brachte ich den Adrenalinspiegel nicht runter. Pünktlich standen wir um 0:56 - 45 Minuten nach unserer Ankunft - wieder am Start. Die zuvor erhaltenen Unterlagen für die letzte Etappe konnten wir kaum studieren und als erstes stand ausgerechnet die Regularity 'Loch Ness Monster' auf dem Programm.

Nun machte uns aber die Schluckfreudigkeit von 'Luisa', resp. ihr kleines Tankvolumen von nur 55 Liter einen Strich durch die Rechnung. In der englischen Pampa draussen sind die Tankmöglichkeiten schon von Grund auf beschränkt und nachts ist die Mehrheit der wenigen Tankstellen geschlossen. Notenautomaten gibt es nicht (mehr) und und auch alle Kartenautomaten waren abgestellt. Es gibt wenige 24h-Tankstellen, aber die liegen fast alle an den Schnellstrassen oder in grösseren Städten. Wir hatten zwar 40 Liter Benzin in Kanistern dabei, davon aber die Hälfte bereits auf der letzten Etappe bei den Bergungsarbeiten einfüllen müssen. Auf dem Weg zum Hotel gabe es leider keine Tankstelle mehr.

Kurz nach der Abfahrt war eine offene Tankstelle in der Karte eingezeichnet und diese haben wir aufgesucht. In der Tat brannte dort Licht, aber das war dann auch schon das Einzige, was funktionierte. Weit und breit kein Personal, keine Karten- und keine Cash-Säule vorhanden angry! Fabrizio fand auf dem Handy in der Nähe von Inverness eine - gemäss Handy - offene Tankstelle. Wohl oder übel mussten wir unseren Besuch bei Nessie auslassen und gelangten auf der Schnellstrasse A9 dorthin - wohl auf dem letzten Tropfen. Und siehe da: Gleich zwei beleuchtete Tankstellen waren an der angegebenen Stelle zu finden. Doch auch hier: Viel Licht, aber kein Benzin, alles war abgeschlossen! Ich füllte die letzten 5 Liter aus dem Kanister in den Tank und wir fuhren in die nahegelegene Stadt weiter. Falls das Benzin ganz ausginge, wollten wir uns wenigstens in der Zivilisation befinden.

Doch wir hatten Glück und gelangten nach weiterem Suchen zu einer offenen Tankstelle. Diese boten zwar nur Benzin mit einem Ethanolanteil von 10% an ('Luisa' bekommt davon einen Schluckauf beim Motorabstellen), aber das war uns zu diesem Zeitpunkt egal. Mit Erleichterung füllten wir alle unsere Vorräte auf und begannen, die Karte zu studieren. Mit noch grösserer Erleichterung stellten wir fest, dass der Rallye-Tross in knapp 1 Stunde an einer anderen Tankstelle in kaum 2 km Entfernung anlässlich einer Passage-Control vorbeikommen würde. Wir konnten demzufolge die Rallye-Etappe wieder ganz normal und erst noch ohne Zeitverlust aufnehmen (natürlich unter Einbezug vieler Strafpunkte, da wir die die Regularity 'Loch Ness Monster') ausgelassen haben. Wir fuhren nun an diese Passage-Control, machten eine Kaffeepause, studierten den weiteren Kartenverlauf und warteten auf die Marshals des Veranstalters, welche diesen Posten zu betreuen hatten. Diese staunten nicht schlecht, dass wir mit unserer hohen Startnummer schon da waren und zudem waren wir nicht dafür bekannt, den Weg auf Anhieb zu finden wink

Bald darauf kamen die ersten Fahrzeuge an, darunter auch Carlos und Urs. Auch sie mussten im Loch Ness infolge einer Orientierungsunstimmigkeit irgendwo abkürzen und so müssen wir euch Bilder von Nessie ein weiteres Mal vorenthalten (siehe auch hier). Wir nahmen also die Rallye frühestmöglich wieder auf und fuhren weiter Richtung Norden. Das Wetter klarte auf, es wurde wieder kälter und die Strassen rutschiger. Die nächste Regularity musste entschärft werden: Alle Zeitvorgaben wurden gestrichen, man musste 'nur' durchkommen. In der Tat war es vereinzelt kaum möglich, auch nur einen Schritt auf den Fahrwegen gefahrlos auszuführen. So waren wir froh, mit dem Auto unterwegs zu sein, denn dank der 4 Auflagepunkte fiel dieses zumindest nicht um. Einmal mehr zeigte sich, wie wichtig gute Winterreifen mit weicher Gummimischung sind. Wir kamen gut durch und fanden alle Timing-Punkte auf Anhieb.

Auf dieser Etappe mussten auch noch drei sog. Route-Checks gefunden werden. Das sind Streckenpunkte an der Strasse, wo man einen Code abschreiben musste, als Beweis, dass man richtig gefahren war. Dazu musste man die entsprechenden Vorgaben für die Karte sehr genau lesen und verstehen, sonst fand man diese Punkte nicht. Sie lagen nicht gut sichtbar an der Strasse, sondern immer bei bis zu 100 Metern von der Strasse entfernten Parkplätzen von kleinen Ausweichstellen. Wir haben alle drei gefunden, wenn auch einmal von der falschen Seite her anfahrend. Da es sich aber hier um durchwegs unbemannte Posten handelte, hat das niemand gemerkt und im Wenden von 'Luisa' an allen möglichen und unmöglichen Ort hatte ich ja schon Übung angel.

So fuhren wir des Weges, konnten beim letzten Frühstück rund 100 km vor dem Ziel nochmals ein ausgiebiges Frühstück geniessen (inkl. Haggis für diejenigen, die wollten) und gelangten - zum ersten Mal auf dieser Rallye - zur ungefähr vorgesehenen Zeit um 11:00 Uhr und bei Sonnenschein (!) am Ziel in John O'Groats an. Wir wurden von einer überschaubaren, aber begeisterten Gruppe empfangen und die Durchfahrt unter dem Zielbogen wurde von schottischen Dudelsackspielern untermalt.

Fabrizio hatte diverse Zigarren dabei und tatsächlich fanden wir zum ersten Mal Zeit, eine solche zu rauchen. Selbst für eine Whisky-Degustation und eine Foto-Session blieb noch Zeit, bevor wir ins 10 km entfernte Hotel fuhren um Schlaf nachzuholen und uns auf das Abendessen vorzubereiten.

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Zum Abendessen und zur Preisverteilung haben sich alle in Schale gestürzt (stürzen müssen) und so sah das ganze sehr festlich aus. Von den CH-Teilnehmenden haben Chris und Tony (jawohl, genau der berühmte Tony, welchen ich schon in x Betrichten erwähnt habe) den 1. Preis in ihrer Klasse erreicht, gratuliere! Wir wurden Letzte, aber immerhin noch vierte von sieben in unserer Klasse (alle anderen sind schon früher ausgeschieden).

Fabrizio und ich sind auch nicht ganz leer ausgegangen, man hat uns den Preis 'Spirit of the Rally' für unsere uneigennützigen Fahrzeugrettungsaktionen und für unser immerwiederkehrendes Rückfinden auf die Strecke übergeben. Das hat uns sehr gefreut!

Nur 4 von 44 gestarteten haben alle Sonderprüfungen erfolgreich absolviert und dieser dreisstigste Le Jog wird als härteste Austragung ever in die Rallye-Geschichte eingehen (so die Worte eines der 4 Sieger-Teams)! Lediglich 27 von 44 Teams (61%) kamen überhaupt ins Ziel, darunter alle CH-Teams smiley

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Fazit

Unsere erste Teilnahme an einem Le Jog hat uns ziemlich gefordert. Die ausschliessliche Navigation nach Karten inklusive dem Einzeichnen der Strecke nach vorgegebenen kniffligen Kritertien war für uns beide ungewohnt und hat zu vielen zusätzlichen Kilometern und Wendemanövern geführt. Fabrizio kam aber von Etappe zu Etappe besser mit der Navigation zurecht, so dass wir am Schluss zur vorgegebenen Zeit im Ziel waren. Auf den Test's (Rundkurse etc.) haben wir teilweise ganz gut abgeschnitten, wobei uns zugegebenermassen auch der zuschaltbare 4x4-Antrieb etwas Vorteile gebracht hat. Dort wo wir schlechter abgeschnitten haben, lag es an der Kommunikation wie wir (in der Nacht!) die kaum sichtbaren Pylonen ansteuern müssen.

Übersicht Rallye

Anzahl Etappen / Anzahl Tage 5 / 4
Total Fahrzeit Rallye ca. 55 h
Durschnittliche Fahrzeit / Präsenzzeit pro Tag ca. 14 h
Anzahl Ruhezeiten mehr als 6 Stunden (real) 1
Rallye Kilometer 2'000
Total Kilometer inkl. Hin- und Rückreise (ohne Fähre / Zug) 5'000
Regularities total / davon nachts 30 / 18
Tests (Rundkurse etc.) 16
Anzahl Fahrzeuge im Ziel / von total gestarteten 27 / 44
Benzinverbrauch total ca. 900 L
Anzahl Tankvorgänge 22
Anzahl Mars / Snickers pro Person und 100 km 0.27
Anzahl Geschwindigkeitsbussen bis Rallye-Ende 0
Ölverbrauch 0.5 Liter
Durchfahrene Pfützen (gefühlt) 10'000
Montagezeit Manschettenknöpfe / Fliege Manuel 5 1/2 min.
Montagezeit Manschettenknöpfe / Fliege Fabrizio ?
Anzahl verlorene Benzintankdeckel 1
Anzahl mitgenomme Zigarren / davon geraucht 10 / 2

 

Alle vorgegebenen Zeiten waren sehr sportlich vorgegeben und man konnte sich weder eine Panne noch einen Verfahrer leisten. Häufig waren die Strassen / Wege nur einspurig befahrbar (single track road) und manchmal musste man bei Ausweichmanövern mehrere 100 Meter rückwärts zu einer Ausstellnische fahren. Die teilweise schwierigen Strassenverhältnisse haben für einige Abflüge und viele kleine Blechschäden gesorgt, mindestens 1/3 der im Ziel angekommenen Fahrzeuge zeigen Kampfspuren jeglicher Art auf. Wie es den ausgefallenen Fahrzeugen ergangen ist, wissen wir nicht. Aber Verletzte gab es zum Glück nie!

Bezüglich Müdigkeit / Erschöpfung habe ich mit grösseren Schwierigkeiten gerechnet. Wir sind damit recht gut zu Rande gekommen und dies ausschliesslich mit 'natürlichen' Hilfsmitteln (Bananen / Traubenzucker / Mars / Snickers). Von Red Bull etc. hat uns der Veranstalter deutlich abgeraten. Das pusche zwar kurzfristig auf, lasse einem aber dann in ein grösseres Loch fallen.

Auch sonst haben wir gut harmoniert und uns gut ergänzt yes. Am letzten Abend, aber auch noch auf der Fähre von Newcastle nach Amsterdam, sassen wir Schweizer (auch Tony gehörte leihweise dazu) mit zwei deutschen Brüdern zusammen und verbrachten eine gute Zeit miteinander. Auf der Fähre durften wir eine ausgezeichnete Flasche Champager geniessen als Dankeschön eines der Teams, dessen Wagen wir aus dem Graben gezogen haben.

Ein grosses Kompliment geht an den Veranstalter. Auch wenn bei der 30. Austragung dieses Anlasses eine grosse Erfahrung vorhanden ist, muss trotzdem jedes Jahr ein grosser Teil neu organisert werden. Alleine für die unzähligen Timingpunkte mussten mehrere hundert - ehrenamtlich arbeitende - Marshals aufgeboten werden, welche sich in Doppelbesetzung alle pünktlich, häufig in der Nacht und bei jedem Wetter an die abgelegensten Ort begeben und mehrere Stunden ausharren mussten. Die mitgereisten Mechanikerteams waren als Letzte im Bett (wenn überhaupt) und als Erste wieder auf den Beinen.

Im Jahre 2024 wird es keinen Le Jog geben. Der Veranstalter möchte das Konzept überarbeiten und die Anforderungen noch etwas hochschrauben ...

Ich bleibe meinem schon mehrfach zitierten Leitspruch treu: Man muss nicht zwingend einen an der Waffel haben um eine solche Veranstaltung mitzumachen, aber es erleichtert die Sache ungemein wink

 

Noch eine ganz persönliche Bemerkung: Man kann und darf über den Sinn oder Unsinn einer solchen Veranstaltung geteilter Meinung sein, aber von Zeit zu Zeit etwas die A....backen zusammenkneifen zu müssen und nicht bei den ersten Schwierigkeiten aufzugeben, gehört auch etwas in das Kapitel Lebensschule. Das scheint mir bei den jüngeren Generationen je länger je mehr etwas abhanden zu kommen (Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel) ...

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Kommentare

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Beat 10.12.2023 16:55

Lieber Mäni, lieber Fabrizio
was Ihr da stets leistet an Euren Rallyes ist schon unglaublich, müsste ich jedesmal meinen Hut ziehen, hätte ich Scheuerstellen am Schädel. Hoffentlich ist auch Luisa bald wieder fit und bereit für das nächste Abenteuer.
Ueber den "einen an der Waffel haben" haben wir uns ja auch schon unterhalten, jeder in seinem Hobby, und es ist schon so, mit einem gehörigen Waffeleisen geht es tatsächlich einfacher.
Herzliche Gratulation also auch von uns und wenn Ihr nicht mindestens den Fairnesspreis gewonnen hättet, wäre ich vom Veranstalter enttäuscht gewesen.
Liebe Grüsse
Beat und Marta

Bruno 10.12.2023 15:37

Lieber Manuel und lieber Fabrizio: Einfach Bravo, Bravo, Bravo! Die Rennleitung muss Euch bei der nächsten Ralley unentgeltlich teilnehmen lassen. Ihr seid ja das unverzichtbare Notteam. Ich kenne das Land von Süden bis Norden und viele der Strassen, bin mir aber sicher Eure Organisatoren haben ganz andere gefunden. Die die ich kenne, sind schon bei normalen Bedingungen und „freier Fahrt“ eine Herausforderung. Wie Ihr die „Alternativstrecken“ unter diesen Bedingungen und mit so wenig Schlaf geschafft habt, entzieht sich mir. Offenbar gehöre ich zu den Warmduschern😄
Ganz herzliche Gratulation von
Jacqueline & Bruno 👏🏻👍💪🥂

Roman 10.12.2023 15:12

Lieber Manu, danke, dass Du uns an Deinen Abenteuern teilhaben lässt. Ich bin die Strecke mal mitm Finger auf der Landkarte nachgefahren - und dabei schon ausgerutscht. Weiter viel Erfolg und liebe Grüsse
Roman

Martin 10.12.2023 14:53

Lieber Manuel

Chapeau! Unglaublich, dass so etwas überhaupt durchzustehen ist, aber Ihr habts geschafft, herzliche Gratulation!

Martin

Hampe 10.12.2023 11:48

Habe den eindrücklichen und wie gewohnt humorvollen Bericht gelesen und bin froh dass auch andere einen an der Waffel haben..
Herzliche Gratulation und liebe Grüße aus Christchurch auch von Pierrette

Ivan Pusnik 10.12.2023 11:26

Lieber Manuel,
wie ich lesen kann, war das wirklich schwierige und Schnereiche Le Jog. Tisa und ich gratulieren euch von Herzen, gesund und erfolgreich, am Ziel zu kommen. Und den Preis habt euch auch sehr verdient gewonen, LG, Tisa und Ivan